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Kapitel 6: Bewältigungsstrategien

Im Laufe der Zeit habe ich mehr und mehr Methoden entwickelt, um mit der Trauer fertig zu werden. In meiner Wahrnehmung ist es ein Prozess, durch den man geht und mit dem man wächst. So kam manche Inspiration von außen, die meisten der Wege heraus aus der Trauer fand ich aber, indem ich tief in mich hineinblickte und auf Antworten meiner Seele wartete.

Ich möchte in diesem Kapitel gerne darüber sprechen, welche Methoden und Wege ich selbst gefunden habe, um mit der Trauer umzugehen, was mir weitergeholfen hat und wie es für mich zum Teil bis heute funktioniert. Es soll aber auch eine Anregung sein für alle, die gerade mitten in der Trauer stecken und die vielleicht noch nicht wissen, wie sie aus dem Tal der Tränen wieder herauskommen sollen.

Da gibt es einerseits den „Wasserstrudel“, der eine sehr hilfreiche Methode ist, akuter Schwermut zu begegnen und vor allem kurzfristig gut anwendbar ist, dann gibt es aber auch Methoden wie die des „Nicht-Glücklich-Seins“, die man über Monate praktiziert und die dazu dienen, sich auf dem Trauerweg nicht selbst unter Druck zu setzen.

Was ich auch sehr wichtig empfunden habe, sind Übungen, die dabei helfen, sich selbst wieder als vollständig zu empfinden, denn in der Trauerzeit hat man sehr oft das Gefühl, nur halb zu sein. In wesentlichen Momenten vermisst man die bessere Hälfte, angefangen von Alltagsdingen wie bei kleinen Reparaturen im Haushalt, aber auch in großen emotionalen Momenten, wo man einfach möchte, dass einen der geliebte Partner noch einmal in den Arm nimmt.

Da bei mir ja nicht nur der Partner verschwunden ist, sondern mein ganzes Leben, mein Lebenssinn und auch meine Zukunft, habe ich die Methode „Das Floß“ entwickelt. Sie holt mich zurück in die Gegenwart und lässt Zukunftsängste verschwinden.

Ich werde die Methoden, die mich begleitet haben und begleiten, nun näher vorstellen.

Methode 1: Der Wasserstrudel

Ich bin als Kind am Fluss aufgewachsen, Wasser war immer in der Nähe und es war auch nicht immer ungefährlich. Als ich vier Jahre alt war, bin ich mit meinem Schwimmreifen raus auf den See geschwommen und weil ich ziemlich dünn war, plötzlich durch den Reifen durchgerutscht. Ich konnte nicht schwimmen und hatte damit mein erstes Erlebnis mit der Anderswelt. Erst war dieses Kämpfen ums Überleben, dieses sich wehren gegen das Wasser, diese Panik, diese schrecklichen Gefühle, diese Angst – dann plötzlich das Aufgeben, das sich fallen lassen, dieses eins werden mit dem Wasser und dieses unendliche Glück, das man dabei empfindet.

Mein Großvater war gottseidank schnell genug zu mir geschwommen und zog mich aus dem Wasser. Ich weiß noch genau, dass ich mich gewehrt habe. Ich wollte in diesem Glücksgefühl bleiben. Ich wollte nicht gerettet werden und dennoch bin ich heute sehr froh, dass es meinem Großvater gelungen ist, rechtzeitig bei mir zu sein und mein Leben zu retten.

Mein Großvater war es auch, der mich über die Wasserstrudel im Inn, dem Fluss an dem mein Heimatort liegt, aufklärte. Wenn du in einen Wasserstrudel kommst, darfst du dich auf keinen Fall gegen das Wasser wehren, sagte er. Wenn du dich wehrst, wirst du ertrinken. Was soll ich dann tun, fragte ich. Er erklärte es mir folgendermaßen: Wenn du beim Schwimmen in einen Wasserstrudel kommst, denk daran, dass der Wasserstrudel immer an der Oberfläche am größten und stärksten ist. Er zieht dich rein und du kannst nichts dagegen tun. Wenn du dich in diesem Stadium wehrst, hast du keine Kraft mehr für das, was dann kommt. Der Strudel zieht dich immer weiter nach unten und je weiter du nach unten gezogen wirst, umso dünner und kraftloser wird der Strudel. Wenn du ganz unten bist, hat der Strudel keine Kraft mehr. Lass dich also bis ganz nach unten ziehen und tauche dann aus dem Strudel heraus und wieder an die Oberfläche. Wenn du dich oben nicht gewehrt hast und Kraft gespart hast, schaffst du es, wieder sicher nach oben zu tauchen.

Gut, so weit zum Wasser. Aber was hat das mit der Trauer zu tun?

Am Anfang meiner vielen Trauerphasen hab ich mich gegen jede einzelne gewehrt. Ich hab mich gewunden und wollte nicht in diese Trauerphasen eintauchen. Ich spielte „glücklich“ und versuchte, so zu tun, als wäre nichts. In Wahrheit hatte ich riesige Angst, da nicht mehr herauszukommen und dann vielleicht irgendetwas Blödes zu tun, das ich später bereuen sollte. So dauerten die ersten Trauerphasen, die bei mir nach etwa drei Monaten begannen, oft bis zu zwei Wochen. Ich funktionierte in diesen Zeiten zwar nach außen hin wie ein Roboter, aber ich war dabei wie eine Untote, ein Zombie, der keine Kontrolle mehr über sein Leben hat, der die Gefühle einfach als Ganzes abstellt, der nichts empfindet und dem langsam der Strom ausgeht. Natürlich konnte ich nicht verhindern, dass mich die Trauerphasen bis ganz nach unten zogen. Ich war am Boden, am Ende. Ich wollte dieses Leben nicht mehr, hatte Selbstmordgedanken und das Einzige, was mich am Leben hielt, waren die Unmengen an Morphium, die ich noch von meinem Mann daheim hatte, die gut verpackt auf meinem Küchenkasten standen und die mir das Gefühl gaben, wenigstens eine Sache unter Kontrolle zu haben: ich selbst könnte bestimmen, wann es vorbei sei.

Nach mehreren solcher Phasen, die mich zunehmend auslaugten, hatte ich irgendwann den Mut (oder vielleicht war es einfach nur die Kraftlosigkeit, die mich zum Aufgeben zwang?), mich nicht gegen die Trauer zu wehren. Ich ließ es einfach passieren. Ich wusste schon, dass es mich reinzieht und dass ich nichts dagegen tun kann und dass ich auch eigentlich gar keine Kraft mehr hatte, mich dagegen zu wehren. Ich kam in den Zustand, den die Chinesen als Yin-Energie beschreiben. Die Passivität, die Ruhe, das Aushalten, die Geduld, das Ertragen und Erleiden, das geschehen lassen, das Dunkle, das Inaktive, das Sein.
Ja, es ist dieses Sein, dieses sich nicht definieren über das Tun, dieses einfach Sein, das mich rettete.

Und plötzlich passierte das, was sich auch in einem Wasserstrudel abspielt: Dadurch, dass ich mich nicht wehrte, mich runterziehen ließ, es geschehen ließ, klatschte ich relativ rasch am Boden auf, ich war relativ schnell ganz unten und dennoch hatte ich genug Kraft, ganz unten aus dem Strudel herauszutauchen und die Oberfläche zu gelangen. Am Anfang dauerte es noch Tage, bis ich mich ergab und mich runterziehen ließ, um dann wieder aufzutauchen, aber immerhin – es klappte!

Also probierte ich es beim nächsten Mal wieder. Ich ließ mich reinziehen, ich heulte, ich weinte, ich schrie, ich bemitleidete mich selbst, ich verdammte das ganze Leben und auch Gott und die Welt, ich ließ den Hass zu, den ich spürte über die Ungerechtigkeit, ich durchlebte die Wut und die Hilflosigkeit – ich erlebte Trauer – um danach wieder aufzutauchen und auch das Leben wieder zu spüren. Je öfter ich diese Trauerphasen zuließ, mich hineinfallen ließ und mir selbst erlaubte, einfach zu sein und nicht jemand sein zu müssen, desto kürzer wurden sie.

Ich kann niemandem versprechen, dass sie jemals aufhören, aber heute schaffe ich es sogar, aktiv in diese Phasen hineinzugehen, um weitere Teile der Trauer, die auch noch nach zwei Jahren da sind, abzubauen. Ich selbst mache das gerne mit hoch emotionalen Filmen. Wenn ich spüre, dass sich schon wieder eine Trauerphase aufbaut, schaue ich mir absichtlich Filme an, in denen es um Tod und Trauer geht („Titanic“ ist immer wieder ein heißer Tipp, aber auch andere Klassiker der Filmgeschichte oder Bücher können sehr unterstützend wirken) und lass mich reinfallen. Ich weine mit der Geschichte, tu mir dazwischen selbst ganz viel Leid und habe es somit geschafft, dem Thema Trauerphasen eine gewisse Kontrolle zu geben, die mir erlaubt, mehr und mehr normal zu leben. Natürlich sprudelt es auch manchmal noch von selbst heraus, aber selbst dann hab ich keine Hemmungen, auch in der U-Bahn oder wo immer ich bin, zu heulen in dem Wissen, dass es oft nach einer halben Stunde wieder vorbei ist und ich mich wieder gut fühle.

Methode 2: Aufgeben

Sehr verwandt mit dem Wasserstrudel, aber wesentlich langfristiger ist diese Methode. Haben Sie das schon einmal erlebt? Sie waren in einer völlig ausweglosen Situation und anstatt zu rudern und zu tun, haben Sie aufgegeben, die Hände in den Schoß gelegt und gewartet, bis das Leben zu Ende ist? Wenn Sie in der glücklichen Lage waren, noch nie in so einer Situation gewesen zu sein, sollten Sie sich meinen Tipp vielleicht merken für später. Man weiß ja nie!

Mir ist es in der gesamten Trauerzeit mehrmals passiert, dass ich in mich in völlig ausweglosen Situationen befand. Schon in der Pflege war ich zum Teil völlig überfordert mit Vollzeitarbeit, den Bedürfnissen meines Mannes und den vielen organisatorischen Dingen, die in so einer Zeit zu erledigen sind. Ich habe mich bis zum Nervenzusammenbruch aufgearbeitet und obwohl mir die Pfleger und Ärzte des mobilen Hospizes gesagt haben, ich müsse besser auf mich und meine Gesundheit aufpassen, gelang mir das nicht. Ich habe gekämpft und gestrampelt bis ich nicht mehr konnte. Ich erinnere mich, als es damals zum ersten Mal passierte: das Aufgeben. Das völlige Aufgeben. Dieses Gefühl, dass es nicht mehr schlimmer kommen könnte und dass sowieso alles im Tod endet und dass es jetzt auch schon scheißegal ist, was man tut. Zum zweiten Mal kam ich in diesen Zustand, als mein Mann bereits tot war, ich in der vollgeräumten Wohnung saß und wusste, ich kann mir diese Situation noch genau drei Monate leisten, dann ist Ende im Gelände. Aber dazu mehr im Kapitel „Der Umzug“.

In diesen ausweglosen Situationen, in denen ich soweit war, dass ich nicht einmal mehr verzweifelte, sondern still und erduldend mein Schicksal annahm, passierte etwas Sonderbares: Irgendjemand anders übernahm die Regie über mein Schicksal!

Egal, ob man jetzt an Gott oder höhere Mächte oder eine Instanz in der Natur, die größer ist als wir selbst glaubt oder nicht, irgendetwas passiert, wenn wir wirklich und vollständig aufgeben. Wenn wir ganz loslassen. Wenn wir am Boden dieses tiefen Loches sitzen und unser Energielevel wirklich bei null angekommen ist und wir auch gar nichts mehr dagegen tun wollen.

Ich funktionierte plötzlich wieder. So als ob ich selbst einen Reset gemacht hätte. So, als wenn das System wirklich ganz heruntergefahren worden wäre und man völlig neu hochfährt. Und man spürt es. Solange die Batterien noch zu fünf Prozent voll waren, hat man festgehalten an diesem alten Irgendetwas, das neben der Spur lief. Die Batterien mussten erst wirklich leer sein, um neu zu starten. Ich weiß, das klingt alles ein bisschen utopisch, aber bisher haben mir alle Menschen, die das schon einmal erlebt haben, dasselbe bestätigt. Und ich verspreche hier, dass auch Sie es merken werden, wenn es so weit ist. Es gibt nämlich Zeichen!

Plötzlich begegneten mir, wenn ich es die 50 Meter zum Lebensmittelgeschäft rüber geschafft hatte, auf dem Weg liebe Bekannte, die ich schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Ich bekam auf einmal Einladungen zu netten privaten Feiern von Leuten, von denen ich es nicht erwartet hätte. Der Parkplatz vor meinem Haus war immer frei und ich musste niemanden von meinen Bekannten mehr anrufen, wenn mir langweilig war. Die Leute riefen bei mir an. Und das ist nicht alles! Es passierten auch wirklich große Dinge in diesem Zustand. Zum Beispiel kam meine neue Wohnung auf mich zu! Ich hatte die alte gekündigt, weil mir das Geld ausgegangen war. Sie war noch so voll und ich wusste, ich musste Dinge verkaufen, um überhaupt überleben zu können. Ich war mehr als verzweifelt. Sollte ich jetzt auch noch obdachlos werden? Nachdem ich gekündigt hatte, rechnete ich mit dem Schlimmsten! Ich fiel in totale Lethargie und begann nicht einmal zu suchen! Zwei Wochen später nahm mich eine Freundin zum Ganslessen mit. Es war November und Martinsfest und ihre gesamte Familie samt Freundesanhang traf sich in einem Restaurant. Wir redeten in lockerer Runde über dies und das und nachdem mich die Schwester der Freundin fragte, wie es mir so ging, schilderte ich kurz meine aussichtslose Lage. Was ich nicht wusste, die beste Freundin, ebenfalls am Tisch, arbeitete zu diesem Zeitpunkt bei einer Wohnbaugesellschaft. Sie meinte zwar, es wären im Moment keine Wohnungen frei, überredete mich aber, mich bei der Gesellschaft anzumelden. Das war nicht besonders umständlich, also machte ich es sofort, nicht wissend, dass ich weitere zwei Wochen später einen Anruf bekommen sollte. Der Rechtsstreit um eine Wohnung in einem meiner Wunschbezirke mit der passenden Größe wurde beigelegt und die Wohnung stand nach der Sanierung zur Vermittlung bereit. Da ich mich gerade davor angemeldet hatte, stand ich auf Platz 1 für diese Wohnung. Unglaublich, aber wahr! Ich musste also nichts tun – es tat für mich! (Ich muss auch noch dazu sagen, dass ich mir eine idealere Wohnung nicht in meinen kühnsten Träumen vorstellen hätte können – von der Raumaufteilung über die Nachbarschaft bis hin zum Preis – eine Sensation!)

In unserer westlichen Welt wird diese Kraft des Nichts-Tuns ja leider nicht mehr positiv gesehen. Unterschieden die alten Römer noch zwischen „otium“ (Muße, das angenehme Leben, das mit Leichtigkeit, Inspiration und der Weiterentwicklung des Geistes verbunden wird, die Zeit, in der man sich seinen Hobbys widmet und auch wissenschaftlich und literarisch beschäftigt) und „negotium“ (das ist die verneinte oder auch negative Form von „otium“ und bedeutet so viel wie Mühe, Arbeit, Geschäftigkeit oder auch Staatsdienst), scheint heute das Nichts-Tun nur noch als Faulheit und Bequemlichkeit zu gelten. Wer passiv ist, ist ein Nichtsnutz! Er hat keinen Wert!

Während jemand, der bis zum Umfallen arbeitet und sich keine Zeit zum Innehalten gönnt, in unserer Gesellschaft anerkannt ist (selbstverständlich nur bis zum Burnout!), gilt der Philosoph, der Weise, der Denker, der Künstler als wertloses Mitglied. Das spiegelt sich in vielen Bereichen wider und zwingt Menschen in die Betriebsamkeit, obwohl ihnen das oft gar nicht gut tut. Umso schwieriger ist es, sich in unserer Gesellschaft auf die archaische Kraft der Passivität und des Loslassens einzulassen. Dennoch möchte ich Sie ermuntern, dieses Experiment zu wagen. Es braucht nämlich gar keine große Katastrophe, um loszulassen und diese Kraft für sich arbeiten zu lassen.

Das einzige, das man dazu nämlich tun muss, ist: aufhören zu kämpfen und aufhören zu wollen! Seine Ziele und Wünsche hinter sich lassen und wirklich aufgeben. Wirklich verzweifeln. Wirklich in Selbstmitleid baden. Wirklich leiden. Und sich ja nicht durch dumme Sprüche wie „Kopf hoch!“ raus bringen lassen! Wir wissen es ja alle, dass die Menschen rund herum es gut mit uns meinen, aber gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht! Also: Stecken Sie den Kopf in den Sand! Lassen Sie sich hängen! Halten sie nicht durch! Seien Sie nicht stark!

Methode 3: Fuck Positive Thinking

Ich war also schon ganz gut darin, Dinge hinter mir zu lassen, aber eines stresste mich zunehmends. Es war bereits November 2019 geworden, also mehr als 16 Monate her, dass mein geliebter Mann gestorben war. Aber ich konnte noch immer kein Glück empfinden. Ich hatte zwar schon zwei Mal einen Moment erlebt, in dem ich für eine Stunde alles rund um mich herum vergessen hatte und dadurch zumindest eine gewisse Leichtigkeit verspürte, aber so richtig glücklich? Nein, das fühlte ich mich überhaupt nicht. Ich trug einen dunkelgrauen, großen Stein in meiner Brust mit mir herum. Er befand sich dort, wo einst das Herz und die Liebe zu meinem Mann und unserer Musik war. Dieser Stein drückte und war schwer und ließ mich nicht essen, nicht fühlen, nicht atmen. Ich wollte doch nur einmal wieder Glück empfinden. Konnte es sein, dass mir das völlig verwehrt war?

Ich erzählte einem befreundeten Homöopathen von meinem Zustand und er schickte mir eine Geschichte. Es war eine wirklich echte, reale Geschichte, die tatsächlich passiert ist und die immerhin ein schönes Ende nahm. Ein Hoffnungsschimmer? Nein. Die Hoffnung wollte ich draußen lassen aus meinem Leben, die sollte nicht mehr einkehren in ihren goldenen Gewändern, um mir den Kopf zu verdrehen. Aber ich las mir die Geschichte durch.

Sie handelte von einem Mann, der genau wie ich alles verloren hatte: Familie, Ehefrau, Job, Heimatort. Er versuchte immer wieder, sich aufzuraffen und weiterzumachen, stark zu sein und durchzuhalten, aber sein Zustand verschlimmerte sich stetig. Eines Tages konnte er einfach nicht mehr. Er war an einem Punkt, an dem es nicht mehr schlimmer werden konnte. Er wollte sterben. Aber er lebte! Da er nicht einmal die Kraft hatte, diesem Leid ein Ende zu setzen, sagte er sich: Wenn das Leben nur Unglück für mich hat, werde ich dieses Unglück annehmen. Ich werde mich in Selbstmitleid suhlen. Es ist völlig egal, was ich tue, also ist es auch völlig egal, wenn ich mich aufgebe. Ich versuche nicht, die Scheiße zu Gold zu verwandeln. Ich werde mich dem ganzen Elend hingeben und aufhören, nach irgendetwas zu streben. Wenn es mein Schicksal ist, in Traurigkeit dahinzuvegetieren, dann werde ich das jetzt machen.

Die Geschichte war natürlich noch sehr viel länger, denn der Mann ist heute ein bekannter Buchautor und hat natürlich viel mehr zu erzählen, aber ich habe versucht, die Quintessenz der Geschichte zusammenzufassen. Es ging darum, dieses positive Denken, das wir so oft anerzogen bekommen, ein für allemal loszulassen. Zu verstehen, dass dieses so genannte positive Denken unglaublichen Druck in einem auslöst. Einen Druck, den man zusätzlich zu all dem Schmerz noch tragen muss.

Ich fühlte mich immer und immer wieder in diese Geschichte hinein und auf einmal wusste ich: das war der Schlüssel. Ich wollte ihn probieren. Der Satz, der mir dazu einfiel, war der Satz „Ich strebe NICHT danach, glücklich zu sein.“

Ich hatte von einer Freundin so einen Kalender bekommen, auf den man mit Kreide selbst etwas draufschreiben konnte. Es war, wie gesagt, November 2019. Obwohl das mit der Kreide nicht so sonderlich gut funktionierte, da die Kreide nur halb haften wollte, schrieb ich den Satz darauf und hängte den Kalender auf.

Ich strebe NICHT danach, glücklich zu sein. Ich strebe NICHT danach, glücklich zu sein. Ich strebe NICHT danach, glücklich zu sein.
Ich las den Satz immer und immer wieder wie ein Mantra. Ich wiederholte ihn sicher fünfzig Mal und plötzlich musste ich lächeln. Wie leicht sich alles auf einmal anfühlte, wenn ich diesen Satz vor mich hinsagte. Wie befreiend es war, endlich nicht mehr danach zu streben, glücklich zu werden. Endlich ich sein zu dürfen, egal wie ich war.

Man muss nicht Stroh zu Gold machen. Es ist ok, nicht ok zu sein. Es ist ok, nicht zu funktionieren und es ist auch völlig ok, nicht nach Erfolg, Ruhm, Geld oder Glück zu streben. Es ist ok, aufzugeben und es ist ok, wenn es einem schlecht geht.

Die Kalenderseite hängt übrigens bis heute an meiner Wand und gibt mir Kraft und Schutz.

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Methode 4: Selbstliebe-Challange, Danke-Tagebuch und Menschen-Detox

Womit ich mich wahnsinnig schwer tat, war das alleine sein. Ich war noch nie ein Typ, der gerne alleine war und selbst in Single-Zeiten wohnte ich üblicherweise in WGs. Nach über elf Jahren gemeinsam mit meinem Mann war ich plötzlich alleine. Ich hielt diesen Zustand überhaupt nicht aus, fühlte mich ständig „halb“. Dann kamen noch die guten Ratschläge aus meiner Umgebung. „Das kriegt man auch alleine hin.“ „Das ist doch nicht so schwer.“ „Erst, wenn man alleine glücklich ist, ist man auch bereit für eine neue Partnerschaft / einen neuen Lebensabschnitt / etc.“

In unserer Gesellschaft scheint ein seltsames Menschenbild vorzuherrschen, das einen isoliert von allen anderen sieht und nicht als soziales Wesen. Tatsache ist, dass wir fast gar nichts alleine hinbekommen und selbst in unwichtig scheinenden Alltäglichkeiten, wie etwa dem Einkaufen von Lebensmitteln oder beim Weg in die Arbeit ständig von anderen Menschen abhängig sind.

Nun gut. Ich war tatsächlich alleine und sehr, sehr einsam. Meine Familie war etwa 300 Kilometer weit weg und befand es auch nicht Wert, mich zu besuchen, Freunde hatten sich zurückgezogen und selbst die Freunde, die sich rührend um mich kümmerten, hatten einfach auch nicht die ganze Zeit die Möglichkeit, für mich da zu sein. Was für ein fürchterlicher Zustand für jemanden, der zwar vielleicht gerne einmal ein paar Stunden alleine ist, aber ein soziales Umfeld wie die Luft zum Atmen braucht. Dazu kam mein Beruf als Lehrerin, in dem man zwar ständig von Menschen umgeben ist, aber die Interaktionen so oberflächlich sind, dass ernsthafte Gespräche fast nicht zustande kommen.

Mir war bewusst, dass ich etwas tun musste, um meiner Zeit einen Sinn zu geben. Ich konnte ja nicht nur mit dem Smart Phone, Zigaretten und Alkohol meine wertvolle Lebenszeit in der Küche verbringen und mein Leben vorüberziehen lassen. (Ok, natürlich hätte ich das auch gekonnt und, wie oben beschrieben, ist es auch total ok, das zu tun, aber irgendwann nach eineinhalb Jahren wollte ich dem Leben doch noch einmal eine Chance geben.)

Durch einen Zufall stieß ich auf den deutschen Psychotherapeuten Christian Hemschemeier, der sein Leben der Paartherapie und der Selbstliebe gewidmet hat. Im Internet findet man unzählige Videos, in denen er über Beziehungen, vor allem aber die Beziehung, die man mit sich selbst hat, spricht. Ich sah mir mehr und mehr Videos an und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich, obwohl ich so viel verloren hatte, eines noch immer bei mir hatte: toxische Beziehungen. Da waren Familienmitglieder und Leute in meinem Bekanntenkreis, die mit meiner Trauer nichts anfangen konnten, die erwarteten, dass ich so zu sein hatte wie immer und denen es an Empathie mehr als mangelte. Ich bemerkte, dass ich alles tat, um diese Beziehungen aufrecht zu erhalten, nur, um nicht völlig isoliert und einsam zu sein. Es war ein Kampf um Aufmerksamkeit und Liebe, aber im Endeffekt erntete ich nur Unverständnis und Kälte.

Ich beschloss also, jetzt alles loszulassen, das mir nicht gut tat. Im Abschied nehmen war ich ja schon ein Profi. Aber natürlich war es noch einmal eine völlig neue Herausforderung, mitten in der Einsamkeit Menschen zu verabschieden, die ich schon sehr lange kannte, die mir aber in dieser schwersten Zeit meines Lebens keine Hilfe, sondern ein Hindernis waren.
Um diesen wichtigen Schritt gehen zu können, hab ich zuerst einmal etwas gebraucht, das mich aufbaut und so machte ich einen Online-Kurs mit dem Titel „Selbstliebe-Challange“. Einen Monat lang bekam ich jeden Tag Aufgaben zugeschickt, die ich zu bewältigen hatte, ob ein Dinner mit sich alleine im Restaurant zu bestreiten oder etwas zu wagen, das man schon immer tun wollte, aber bisher immer weggeschoben hatte. Das Dinner mit mir selbst fiel mir sehr schwer. Man sitzt alleine im Lokal, hat niemanden zum Reden. Überall herum sitzen fröhliche Gruppen oder verliebte Pärchen. Ich war so frustriert, dass ich fast keinen Bissen hinunter brachte. Ich bestellte mir also ein großes Glas Wein und irgendwie verging die Zeit und nach immerhin der Hälfte des Essens zahlte ich und ging traurig heim. Ja, das war keine schöne Erfahrung, aber zumindest war ich ein klein bisschen stolz, dass ich mich überwunden hatte, es zu tun. (Auch wenn ich es nie wieder machen wollte!)
Das, was ich wagen sollte und nicht mehr wegschieben sollte, fiel mir hingegen wesentlich leichter. Ich wollte schon immer einen Sonnenaufgang in Wien sehen und da es Sommer war, fiel mir auch sofort ein Platz ein, nämlich die Donauinsel. Während mich die Gelsen stachen und ich verzweifelt eine Zigarette um die andere rauchte, um sie zu verscheuchen, tauchte die Sonne am Horizont auf. Die Vögel schrien wie verrückt. Ich hatte mir das so nicht vorgestellt, im morgendlichen Lärm der Natur und Jucken an Armen und Beinen. Aber immerhin war der Sonnenaufgang wirklich schön und ich wurde mit ein paar rosa Wölkchen belohnt. Ich war zwar auch traurig, an diesem schönen Platz alleine zu sein, aber wenigstens keine glücklichen Pärchen rund um mich, die mich deprimierten.

Naja und so verging ein ganzer Monat, in dem ich jeden Tag kleine Aufgaben verrichtete und mein Selbstbewusstsein langsam wuchs. Außerdem begann ich, ein Danke-Tagebuch zu führen. Jeden Morgen und jeden Abend schrieb ich drei Dingen hinein, für die ich dankbar war. Anfangs war das der Horror. Wofür sollte ich denn bitte dankbar sein? Dafür, dass ich einsam war? Dafür, dass mein Mann gestorben war? Dafür, dass er unsere Musik mit ins Grab genommen hatte? Dafür, dass ich mittlerweile zu alt war, um einen neuen Partner zu finden und eine Familie zu gründen? Dafür, dass sowieso alles sinnlos war?
Ich fing also mit ganz kleinen Dingen an. Danke, dass ich heute aufgewacht bin. Danke, dass mein Hund Mona bei mir ist. Danke, dass ich genügend Taschentücher zum Weinen habe.

Auch das machte ich einen Monat lang und mit der Zeit funktionierte es besser und besser und mein Selbstbewusstsein wuchs. Durch die Aufgaben, die mir gestellt wurden, fing ich an, selbst kreativ zu werden und mir selbst Aufgaben zu stellen. Eine davon war: Mach etwas Kindisches, das dich erheitert. Da es meine eigene Aufgabe war, erlaubte ich mir, sie nicht alleine zu erledigen. So ging ich mit meiner besten Freundin in den Wurstelprater. Das ist dieser berühmte Vergnügungspark im Zentrum von Wien, in dem auch das Riesenrad steht und in dem es mehr als 250 Attraktionen gibt, angefangen von der Geisterbahn bis hin zum Space Shot, bei dem man wie bei einem Raketenstart in die Höhe geschossen wird, nur um dann quasi wie im freien Fall wieder zur Erde zurückzukehren. Das klang lustig. Das wollte ich machen. Also ab zum Space Shot. Mein Gott, wie wir schrien, als wir in die Höhe geschossen wurden! Ich spürte das Adrenalin durch meine Adern schießen und hatte diesen besonderen Moment: Ich spürte mich selbst plötzlich wieder. Wir fuhren also noch mit ein paar Attraktionen, aßen Zuckerwatte und benahmen uns wie die Kinder. Herrlich.

Mit der Zeit bekam ich also immer mehr Gespür dafür, was ich selbst wollte, was mich ausmachte, was ich alleine machen konnte, auch ganz ohne meinen Mann. Obwohl ich ja schon lange davor nicht mehr in der „Wir-Form“ von mir gesprochen hatte, war es jetzt erst in mir angekommen, das „Ich-Gefühl“.

Ich muss zugeben, dass dieser Prozess kein leichter ist und dass auch ich – und ich weiß, ich bin schnell – etwa ein dreiviertel Jahr brauchte, um dieses Gefühl so weit auszubauen, dass ich mich darin auch halbwegs wohl fühlte. Rückblickend kann ich sagen, dass dieser Prozess vielleicht der wichtigste Lernprozess meines Lebens war. Auch, weil ich es in dieser Zeit schaffte, mich von Menschen endgültig zu verabschieden, die schon lange nicht mehr in mein Leben gehörten und weil ich meinen Frieden damit fand, nicht geliebt zu werden, auch von Menschen, von denen man es sich normalerweise erwarten würde.

Methode 5: Psychotherapie

Wenn man in Trauer ist, tauchen sie plötzlich wie die Krähen am Horizont auf – die Ratschläger. Und ich weiß, warum sie so heißen: sie erschlagen dich beinahe mit ihrem guten Rat, manche prügeln dich auch grün und blau damit. Es ist wirklich schwierig, ihnen auszukommen und sich vor ihnen zu schützen.

Einer der häufigsten Ratschläge, die ich bekam, war, mir einen Psychotherapeuten zu suchen. Ich würde sonst wohl einen Knacks bekommen, alles verdrängen und es später einmal bereuen. Was für ein zum Himmel schreiender Scheiß!

Im Laufe meiner Zeit habe ich viele Witwen und Witwer kennen gelernt und beileibe nicht alle waren bei Psychologen und selbstverständlich haben sie keinen Knacks bekommen. Wieder einmal ist es äußerst schwierig, bei sich zu bleiben und für sich selbst zu entscheiden, ob man eine Therapie beginnen will oder nicht.

Ich habe einige Monate darüber nachgedacht, was ich genau möchte und habe mich dann entschlossen, einen geeigneten Therapeuten oder eine Therapeutin zu suchen. (Auch das war ein wichtiger Punkt für mich: würde ich mich einer Frau genauso gut anvertrauen können wie einem Mann? Ich hatte von klein weg zu Männern sehr viel mehr Vertrauen als zu Frauen und ich weiß, bei anderen Menschen ist es umgekehrt. Man sollte sich also wirklich sehr genau überlegen, was man möchte, bis hin zum Geschlecht des Therapeuten.)

Dann kam allerdings die nächste Hürde: Würde ich mir einen Therapeuten überhaupt leisten können? Therapiestunden siedeln sich so zwischen 80 und 100 Euro an, bekannte Therapeuten lassen sich sogar noch besser bezahlen. In so einer Zeit, in der man jeden Euro zweimal umdrehen muss, ist das wirklich eine Überlegung. Leider sind psychische Gebrechen für unser Kassensystem Krankheiten zweiter Klasse. Kassen-Therapeuten haben oft eine Wartezeit von mehreren Monaten und selbst wenn man genommen wird, ist der finanzielle Anteil, den die Kasse übernimmt, eher mau. Eine Therapie kostet also Geld. Dazu kommt, dass man gar nicht die Kraft hat, 50 oder mehr Therapeuten durchzutelefonieren, um herauszufinden, ob die einen überhaupt nehmen können.

Ich ließ mir also erst einmal Zeit. Nachdem ich umgezogen war, kam mir ein genialer Gedanke: ich suchte im Internet einfach einmal nach dem oder der Therapeutin, die meinem neuen Wohnort am nächsten sein würde und prompt wurde ich fündig: ich gab eine Therapeutin nur fünf Fußminuten von meiner Wohnung entfernt, die personenbezogene Therapie anbot und deren Schwerpunkte unter anderem Trauerbegleitung, Selbstwert und Sinnfindung waren. Da sie am Ende ihrer Ausbildung war, verlangte sie noch nicht den vollen Preis und war daher auch leistbar für mich. Was für ein Glückstreffer!

Ich hätte allerdings auch noch ein paar andere Möglichkeiten gehabt: Da ich zu dem Zeitpunkt allerdings schon beim Young Widow_ers Dinner Club (einer ganz wunderbaren Selbsthilfegruppe, die ich später noch beschreiben werde) war, hätte ich vermutlich im Gespräch mit anderen Witwern und Witwen sicher auch Tipps bekommen, wie man einen geeigneten Therapeuten findet. Zudem gibt es in Wien, aber auch in vielen anderen Städten, Trauergruppen wie die von der Caritas, die einem in solchen Situationen weiterhelfen. Ich kann allen Witwern und Witwen nur empfehlen, diese Hilfen von Trauergruppen anzunehmen, da die meisten über geschultes Personal verfügen und einem in dieser schwierigen Zeit wirklich hilfreiche und auch praktische Tipps geben können.

Weil es mir selbst passiert ist, möchte ich es auch hier wiedergeben: durch die Trauer brechen oft alte, versteckte psychische Probleme neu auf, die man in guten Zeiten toll wegstecken konnte, die dann aber zur unaushaltbaren Zusatzbelastung werden.
In meinem Falle war es ein Kindheitstrauma, durch das ich zeitlebens schlecht mit Einsamkeit umgehen konnte. In der Zeit der Trauer wurde es bei mir frappant und ich bin froh, dass ich mittels der Therapie nicht nur meine Trauer weiter aufarbeiten konnte, sondern auch das Kindheitsthema bearbeitete, das wie eine Mischung aus Verstärker und Unterdrücker der Trauer wirkte. (Aber darüber vielleicht in einem späteren Buch. 😉 )

Methode 6: Das Floß

Ich wurde bereits einige Male danach gefragt, was das Geheimnis sei, dass in meinem neuen Leben, das ich so lange als „Restleben“ bezeichnet habe, so eine tolle Wohnung auf mich zugekommen ist, dass immer zur passenden Zeit der richtige Job auftaucht und dass es so wirke, als hätte ich einen Draht zum Lieben Gott.

Es ist tatsächlich so, dass das Leben im Jetzt ALLES verändert. ALLES!

Es gibt ja vermutlich hunderte Bücher über das Leben im Jetzt – das bekannteste wohl von Eckhart Tolle – und hunderte Philosophien versuchen, Wege aufzuzeigen, wie man am besten im Jetzt lebt, sei es im Rosenkranz beten in der katholischen Kirche, in der Meditation in zahlreichen fernöstlichen Lehren oder als Ganzes im Zen-Buddhismus. Viele Wege führen nach Rom und da ich mein ganz eigenes Bild dafür gefunden habe, möchte ich es jetzt und hier vorstellen.

Ich beschreibe das Leben im Jetzt gerne so: wir sitzen alle auf einem eigenen kleinen Floß, das auf dem Fluss des Lebens schwimmt. Dieser Fluss ist vorbestimmt, hat seine Richtung, seine Geschwindigkeit, seine Breite und Größe und auch seine Länge, bis er im Meer ankommt. Du kannst nichts an diesem Fluss ändern und auch ob Sturm oder Sonnenschein herrscht, liegt nicht in deiner Hand.
Oft sitzt du auf diesem Floß und schaust auf andere Floße, auf denen andere Seelen sitzen. Du beneidest sie, weil du glaubst, sie hätten einen einfacheren Weg oder sie seien schöner, größer oder bequemer. Manchmal ruderst du wie wild, um zu anderen Floßen zu gelangen, um auch in ihrem Sog mitzutreiben. Oder du kämpfst gegen die Strömung an, weil du glaubst, ans Ufer gelangen zu müssen. Viel zu oft in deinem Leben kämpfst du gegen den Strom, das Wetter, die Richtung, in die du treibst, anstatt dich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Du kannst es dir nämlich auf deinem Floß gemütlich machen! Du kannst dir einen kleinen Schutz gegen den Sturm und die brennende Sonne machen. Du kannst auf dem Floß herumturnen, wenn es dir gefällt oder tanzen. Du kannst den Fahrtwind genießen und viel mehr durchatmen, als du denkst! Du wirst nämlich an diesem Fluss ganz sicher nichts ändern!
Oft brauchst du allerdings viel Geduld. Andere Seelen triffst du nämlich nicht, indem du auf sie zusteuerst. Der Fluss wird sie mit seiner Strömung zu dir bringen und zwar genau dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Es wird Seelen geben, mit denen du gemeinsam treibst. Manche treiben ein ganzes Leben neben dir her, manche nur für eine kurze Zeit und manche kommen und schwimmen immer wieder davon.

Also leg dich in die Sonne, genieße den Fluss des Lebens und sorge dich nicht zu viel.

Ach ja und vergiss eines nicht: Bau dir eine Harpune! Ab und zu schwimmt nämlich ein dicker Hecht vorbei – das sind die Chancen des Lebens. Verpass ihn nicht, den Hecht, weil du vielleicht gerade wieder mal gegen den Strom oder ans Ufer oder wie wild auf eine schöne Wasserpflanze zurudern willst. Hol ihn dir! 😉