Zum Inhalt springen

Kapitel 15: Tipps für Angehörige von Trauernden

Wie kann ich helfen? Hier gibt´s ein paar Tipps für Angehörige von Trauernden.

Viele Menschen fühlen sich hilflos, wenn sie zum ersten Mal mit Trauer bzw. Trauernden zu tun haben.  Sie möchten Trauernden gerne helfen, finden aber nicht die richtigen Worte oder wissen nicht, was sie tun sollen. Das ist auch kein Wunder. Der Tod wurde in unserer Gesellschaft lange verdrängt, gestorben wird im Krankenhaus oder in Hospizeinrichtungen, eine Aufbahrung des Leichnams zu Hause, wie es früher üblich war, ist heute beinahe undenkbar. Viele Menschen sind daher völlig überfordert, wenn sie – meist erst im Erwachsenenalter – zum ersten Mal mit dem Thema konfrontiert werden. Sie fühlen sich unsicher und müssen zuerst einmal mit ihren eigenen Gefühlen klar kommen – manche fangen dann erst an, sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen.

 Aus Angst oder Scham erfolgt sehr oft der Rückzug verbunden mit der sicher ernst gemeinten, aber wenig hilfreichen Floskel „Melde dich, wenn du etwas brauchst!“ und wieder damit verbunden ein schlechtes Gewissen. Doch genau das ist das, was der Trauernde in dieser Situation am wenigsten braucht. Gerade jetzt ist die Unterstützung von Familienangehörigen oder Freunden von unschätzbarem Wert. Ich möchte daher hier ein paar Wege aufzeigen, die aus der Unsicherheit heraushelfen und die den Angehörigen eine Hilfe im Umgang mit Trauernden geben soll.


Tipp Nummer 1: Seien Sie da!

Das meine ich ganz wortwörtlich. Alleine die körperliche Anwesenheit, aber auch die simple Präsenz über das Telefon oder andere Kommunikationswege von Menschen, die einem nahe stehen,  hilft einem Trauernden ungemein. Da Trauernde oft unfähig sind, ihre Wünsche oder Bedürfnisse selbst zu spüren, geschweige denn sie auszudrücken, ist es wichtig, jemanden um sich zu haben, der einen kennt und der auch weiß, was dem Trauernden gut tut. Das ist viel einfacher, als Sie annehmen. Geben Sie sich einen Ruck!


Tipp Nummer 2: Melden Sie sich regelmäßig bei dem Trauernden!

Die Floskel „Melde dich, wenn du etwas brauchst!“ mag zwar wirklich von Herzen kommen, dem Trauernden nützt sie aber nichts, da er 1. oft gar nicht fühlen kann, was er im Moment braucht und 2. selbst wenn er es spürt, dann oft in einer so schlechten psychischen Verfassung ist, dass er keine Kraft hat, sich zu melden bzw. durch seine Scham daran gehindert wird. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig, denn gerade dieser Satz ist oft das Erste, das Angehörigen einfällt. Ich möchte, dass verstanden wird, warum dieser Satz dem Trauernden nicht wirklich hilft und warum es in der Regel so ist, dass sich Trauernde nicht melden, wenn es ihnen schlecht geht.


Was können Sie also stattdessen tun?

Melden Sie sich in regelmäßigen Abständen beim Trauernden. Schreiben Sie ihm eine WhatsApp oder SMS. Sie können auch versuchen, ihn anzurufen, seien Sie aber nicht traurig oder gar besorgt oder verärgert, wenn der Trauernde nicht abhebt. Vermutlich schafft es der Trauernde gerade nicht, zu reden. Besser ist es, eine Nachricht zu schicken mit der Frage, ob man anrufen darf. Damit hat man die größten Chancen, dass ein Gespräch auch zustande kommt.
Seien Sie ruhig kreativ darin, wie sie sich melden und keine Angst – Sie sind nicht lästig! Der Trauernde ist noch immer ein ganz normaler Mensch und er wird ihnen mit Sicherheit sagen, wenn Sie sich zu viel melden – zumindest eher, als wenn Sie sich zu wenig melden würden.

Eine kreative Lösung des Problems hat mir eine Witwe aus meinem Bekanntenkreis erzählt und ich fand sie so süß und rührend, dass ich sie hier erwähnen möchte. Nach dem Tod ihres Mannes wusste die beste Freundin auch nicht, wie sie sich verhalten soll, doch dann kam ihr ein genialer Einfall. Sie schickte der Trauernden jeden Morgen und jeden Abend eine Nachricht, in der ausschließlich ein Blumen-Symbol enthalten war. (Es kann gerne wahlweise auch etwas Anderes sein, das dem Trauernden gefällt, aber so ein Blumen-Symbol ist einfach, kurz, präzise und müllt auch den Handy-Speicher nicht zu, wie es z.B. Bildchen oder Videos machen würden.) Für die Trauernde war in diesem Moment klar, dass die beste Freundin an sie dachte und es war auch eine indirekte Aufforderung, dass es jetzt möglich wäre, sich zu melden, was sie auch immer wieder tat. So konnte ein normaler und natürlicher Kommunikationsfluss wiederhergestellt werden und es fiel der Trauernden zunehmend leichter, zu reden und sich selbst zu melden, v.a. weil die Freundin auch nach Monaten nicht aufhörte, die süßen Blümchen zu verschicken.


Tipp Nummer 3: Leisten Sie Hilfe im Alltag!

Es ist kaum vorstellbar, aber Trauernde sind – ähnlich wie schwer Depressive – oft nicht in der Lage, einfachste Dinge im Haushalt zu verrichten. Selbst Tätigkeiten wie den Geschirrspüler einzuräumen, staubzusaugen, einkaufen zu gehen oder zu kochen können einen Trauernden besonders in den ersten Wochen oder auch Monaten völlig überfordern. Der Trauernde bleibt im Bett oder auf der Couch und isst oft nicht einmal. Der Hunger ist ja sowieso verschwunden.

Sie können einem Trauernden also aktiv helfen, indem Sie vorbei kommen, sich ein wenig umschauen und versuchen, im Haushalt zu helfen. Kochen Sie für den Trauernden oder mit ihm gemeinsam und essen Sie auch gemeinsam. Sie glauben es vielleicht nicht, aber damit können Sie wirklich Großes für den Trauernden leisten! Überhaupt sind gemeinsame alltägliche Tätigkeiten wie putzen, einkaufen gehen, aufräumen etc. eine gute Ablenkung, die dem Trauernden ein Stück Normalität schenken.

Tipp Nummer 4: Holen sie den Trauernden raus aus seinem engen Alltag!

Für den Trauernden ist die Trauer das Thema Nummer 1. Alles dreht sich um den Schmerz, den Verlust, die Überlebensängste und die Sinnlosigkeit. Vielleicht kommen auch noch Geldsorgen oder die Sorge, nicht mehr arbeiten zu können dazu. Tagein, tagaus dasselbe – und sehr oft nicht nur unter Tags, sondern auch noch Nacht für Nacht. Und dann sind da auch noch die Einsamkeit und die Unfähigkeit, sich an Dingen zu erfreuen. Man dreht sich im Kreis und befindet sich im schlimmsten Fall in einer Abwärtsspirale.

Was können Sie also tun?

Nehmen Sie den Trauernden sprichwörtlich an der Hand uns schleppen Sie ihn an die schönen Plätze der Welt. Gehen Sie mit ihm in eine Ausstellung, auf ein Konzert, auf einen langen Spaziergang im Grünen, ins Kino, auf eine Party, zum Segeln, in den Kochkurs, zum Yoga,….. Die Liste hier ist wohl unendlich lang. Sie kennen den Trauernden ja. Sie wissen, was er vielleicht gerne gemacht hat oder was er schon immer probieren wollte. (Gerade in späteren Trauerphasen, wenn das Sich-Ausprobieren und Erobern des eigenen Raumes wichtig ist, ist es eine tolle Hilfe, wenn man gemeinsam etwas Neues ausprobiert!) Auch wenn Sie beim Trauernden vermutlich keine Freude während der Tätigkeit verspüren werden, geben Sie nicht auf! Für den Trauernden ist es unendlich wichtig, sein Gedankenkarussell zu verlassen und sich wieder für die Welt da draußen zu öffen. Das mag anfangs sehr sperrig sein und manche Trauernden werden erklären, dass sie unter keinen Umständen raus möchten. Man braucht hier ein bisschen Feingefühl, wann es an der Zeit ist, dem Trauernden einen kleinen Tritt in den Hintern zu geben und wann es besser ist, den Trauernden auch mal in Ruhe zu lassen. Aber auch hier sei gesagt: Hartnäckigkeit und Geduld zahlen sich aus! Fast alle Trauernden nehmen die Angebote der Umwelt mit der Zeit mehr und mehr an. Allerdings möchte ich gleich von vorne herein erwähnen – es wird vermutlich so sein, dass es dem Trauernden erst einmal keinen Spaß machen wird. Nehmen Sie sich also gleich selbst den Druck von Ihren Schultern. Es muss keinen Spaß machen, um sinnvoll zu sein! Gerade in diesem Akt der Zuwendung, in der der Trauernde so sein darf, wie er ist, liegt eine ungeheure und vor allem heilsame Kraft. Auch hier ist wieder wichtig, dass der Trauernde sich zumindest für eine gewisse Zeit nicht einsam fühlt. Er sieht das Leben da draußen, auch wenn er es noch nicht spüren kann und sich vielleicht unheimlich selbst bedauert und es ihn bedrückt. Das gehört zum Prozess dazu und wird über die Zeit besser und besser.


Tipp Nummer 5: Fragen Sie KONKRET, was der Trauernde braucht!

Wenn Sie beim Trauernden sind, fragen Sie bitte ganz konkret nach, was der Trauernde jetzt gerade braucht. Oft sind es Alltagsdinge, wie z.B. mit dem Hund raus gehen oder auf die Post fahren. Manchmal sind es aber auch spezielle Dinge, wie z.B. Vorbereitungen für den Umzug, das Suchen eines geeigneten Psychologen oder einer Selbsthilfegruppe oder vielleicht wächst dem Trauernden auch nur der Formularwahnsinn, der nach einem Sterbefall entsteht, über den Kopf. Nehmen Sie sich kein Blatt vor den Mund, fragen Sie konkret, was der Trauernde braucht, was Sie tun können und tun Sie es einfach! Wenn Sie es nicht selbst tun können, überlassen Sie die Suche nach geeigneten Personen nicht dem Trauernden. Bestellen Sie ruhig selbst die Handwerker oder das Umzugsservice (natürlich in Absprache mit dem Trauernden) oder machen Sie einen Termin beim Psychologen aus. So kann der Trauernde wertvolle Kraft sparen und Sie vermitteln ihm gleichzeitig ein Gefühl der Sicherheit. 

Tipp Nummer 6: Keine weisen Ratschläge oder tröstenden Floskeln!

Immer wieder versuchen sich Angehörige in weisen Ratschlägen. Es kommen Floskeln wie „Die Zeit heilt alle Wunden“ oder „Er / Sie hätte nicht gewollt, dass du so traurig bist.“
Das mag ja alles nett gemeint sein, hilft dem Trauernden aber in keinster Weise. Es gibt eben Wunden, die die Zeit nicht heilt. Nichts wird mehr, wie es war. Das muss man einfach anerkennen. Wenn man schon tröstende Worte aussprechen will, dann wäre es besser, zu sagen „Diese Wunde kann die Zeit nicht heilen, aber ich hoffe für dich, dass sie irgendwann nicht mehr so weh tut wie jetzt.“ Auch der Hinweis, dass der Verstorbene das nicht so gewollt hätte, nützt wenig. Weder der Verstorbene, noch Angehörige können etwas an der Trauer ändern. In diesem Falle wäre es besser, dem Trauernden zu sagen, dass er alle Zeit der Welt hat, um die Trauer zu verarbeiten und dass man da ist für ihn.

Ganz oft habe ich selbst gehört, dass es mein Umfeld bewundernswert fände, wie stark ich bin. Und wie oft habe ich mir gedacht „Das weiß ich doch selbst!“ und habe einfach nicht darauf geantwortet und mich zurückgezogen oder sogar recht patzig darauf reagiert, einfach weil es mich wütend gemacht hat. (Jeder Trauernde ist sowieso unglaublich stark, denn er hat ja nur die Wahl, stark zu sein oder selbst unterzugehen!) Sätze wie dieser sind in Wahrheit Totschlagargumente, die jedes ehrliche und offene Gespräch im Keim erwürgen, denn wenn man „so stark ist“, kann man ja nicht gleichzeitig Schwäche zeigen. Sie geben dem Trauernden oft das Gefühl, dass es jetzt bald wieder an der Zeit wäre „normal“ zu funktionieren. Und so reißt sich der Trauernde im Alltag oft mit letzter Kraft zusammen, um stark zu erscheinen, nur um danach, wenn man alleine ist, zusammenzubrechen. Besonders nach einer bestimmten Zeit hat der Trauernde sowieso oft das Gefühl, dass er jetzt nicht mehr trauern dürfte, v.a. wenn er zwischendurch bereits Zeiten erlebt hat, in denen es ihm besser ging. Solche Zeiten tauchen auch nach mehreren Jahren noch auf. Zeigen Sie dem Trauernden, dass es immer ok ist, zu trauern, auch noch nach langer Zeit und dass es völlig unwichtig ist, ob man stark ist oder nicht. Zeigen Sie dem Trauernden, dass Sie für ihn da sind, wenn er schwach ist und sich ohnmächtig fühlt. Damit nehmen Sie ihm den Druck, funktionieren zu müssen und die Trauer unterdrücken zu müssen.

Vermutlich gibt es noch tausende Tipps, die man Angehörigen geben könnte, das Wichtigste ist aber, anzuerkennen, dass man sich in den anderen eben nicht hineinfühlen kann, dass man ihn nicht verstehen kann. Selbst Menschen, die bereits Trauer erlebt haben, erzählen mir oft, dass sie Probleme damit haben, sich in andere Trauernde hineinzuversetzen. Das ist völlig ok so. Echte Empathie bedeutet sowieso, zu versuchen, den anderen zu verstehen. Es bedeutet nicht, dass man es auch können muss.