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Kapitel 2: Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber die blöde Sau stirbt auch

Oftmals wurde ich in der Zeit der Pflege gefragt, wie es mir gehen würde. Wenn ich darauf geantwortet habe „ich hasse die Hoffnung“, wurde ich oft verwundert angeschaut. Hoffnung, das ist für viele Menschen der letzte Rettungsanker, das letzte Positive, der Weg zum Licht. Ich habe erkannt, dass die Hoffnung nichts Positives ist. Sie ist die kleine Schwester der Angst. Hübsch verkleidet leitet sie dich in die Irre, verwirrt deine Gefühle und lässt dich enttäuscht zurück. Und dennoch bin ich auf sie hereingefallen.

Klar, so lange der liebste Mensch auf Erden lebt, hat man Hoffnung, die Hoffnung, dass die Diagnose doch falsch war, die Hoffnung, dass die Potenz nicht schon nach vier Wochen völlig verschwinden würde, die Hoffnung, dass die Hormontherapie greifen und die Schmerzen nachlassen würden, die Hoffnung, dass eine Schmerzpumpe Abhilfe schaffen könnte gegen die vielen Tabletten, die er täglich schlucken musste, die Hoffnung, dass die Chemotherapie die Schmerzen erleichtern und die Lähmungen wieder rückgängig machen würde, die Hoffnung, dass die Muskeln sich doch noch ein bisschen aufbauen könnten, die Hoffnung, dass ein normales Gehen wieder möglich wäre, die Hoffnung, dass die Erinnerung wieder käme, die Hoffnung, dass er wieder trinken könnte, ohne alles zu verschütten, die Hoffnung, dass er das Essen bei sich behalten würde.

So viele Hoffnungen und so viele Enttäuschungen. Ich weiß bis heute nicht, wie wir es geschafft haben, mit so vielen Enttäuschungen umzugehen. Nein, es war nicht EIN Tod. Es waren so viele Tode, dass ich gar nicht mehr weiß, wie oft er gestorben ist. Aber letztendlich war er da: der richtige Tod. Der Tod mit dem alle Hoffnungen und damit auch alle Enttäuschungen gestorben sind. Eine letzte große Enttäuschung, aber diesmal wirklich die letzte.