Zum Inhalt springen

Kapitel 5: Hilfe, mein Mann war ein Sammler!

Gerade bei jungen Witwen ist es oft so, dass man sich die Mietwohnung nach dem Tod des Ehepartners nicht mehr leisten kann. Wenn man Pech hat, so wie ich, und der Ehemann lang krank und daher arbeitsunfähig war, fällt man auch noch um die Witwenpension um. Schöne Scheiße. Ich stand also damit der viel zu großen Wohnung und den Unmengen, die mein Mann besaß. Ich muss dazu sagen, dass mein Mann schöne und ausgefallene Dinge liebte. Nicht nur unser Home-Recording-Studio besaß Gerätschaften, von denen manches große Tonstudio träumen würde, auch Uhren wurden gesammelt, analoge Kameras und zum Teil sogar Möbel. Nichts, was mein Mann kaufte, war gewöhnlich. Alles hatte irgendeine Besonderheit. Im Spaß nannte ich ihn oft „Luxus-Messie“ und er lachte dazu.

Nach seinem Tod stellte sich allerdings heraus, dass es gar nicht so einfach war, diese Dinge loszuwerden. Wegschmeißen ging nicht, dazu waren die Teile viel zu wertvoll. Außerdem fraßen alleine die Mietkosten fast mein gesamtes Gehalt auf. Ich musste also verkaufen. Allerdings war es auch nicht einfach, Käufer aufzutreiben, denn die Gegenstände waren allesamt so besonders, dass auch wirklich nur besondere Menschen etwas damit anfangen konnten. Ich saß also da in einem unüberblickbaren Haufen von Dingen und hatte keine Ahnung, wie ich das alles schaffen sollte. Irgendwann kam eine Freundin vorbei und meinte, wir fangen einmal an, Dinge zu fotografieren, herauszufinden, was das überhaupt ist (jaja – vieles, das mein Mann besaß, war mir gänzlich unbekannt!) und auf Verkaufsplattformen im Internet zu stellen. Ich wusste, ich muss das tun, egal, ob ich Kraft habe oder nicht. Ich wusste aber ehrlich nicht, wo ich anfangen sollte.
Irgendwann war ich so weit und ich begann, eine Liste zu machen mit all den Dingen, die da so um mich waren. Eine sehr lange Liste mit sehr vielen, sehr speziellen Dingen.

Da ich mich völlig überfordert fühlte, kam mir irgendwann eine geniale Idee, die ich gerne weitergeben möchte. Ich wusste, ich hatte die Kraft, 2 Dinge pro Tag zu erledigen. Also entschloss ich mich, jeden Tag nur zwei Dinge von meiner Liste zu erledigen, auch wenn es nur kleine Dinge waren, wie zur Post zu gehen oder ein Foto von einem Gegenstand zu machen. Ich weiß bis heute nicht, wie ich es geschafft habe, aber in einem halben Jahr war ich fertig damit, Dinge zu verkaufen und hatte es sogar geschafft, keine großen Schulden anzuhäufen aufgrund der Fixkosten. Alleine dafür gebührt mir eigentlich ein Preis! 😉

Zudem kam mir ein Buch zur Hilfe, das mir zwei Jahre davor empfohlen wurde: Marie Kondos „Magic Cleaning“. Ich selbst hatte bereits nach dem Prinzip viele Dinge von mir ausgemistet und gelernt, mich von Gegenständen zu verabschieden. Natürlich war es noch einmal schwerer, die Dinge meines Mannes erst kennenzulernen, sie anzunehmen, um sie dann weiterzugeben. Aber zumindest ein bisschen Übung hatte ich schon. Ich hatte einen Plan! Da ich mir die Wohnung sowieso nicht mehr leisten konnte, wollte ich in eine neue Wohnung umziehen, in die nur Gegenstände kommen sollten, die ich dort auch wirklich besitzen wollte.

Ich weiß von vielen anderen Witwen, dass es oft schwer fällt, Gegenstände des Verstorbenen zu entsorgen. Ich kenne einige, die auch nach Jahren noch die Kleidungsstücke des Verstorbenen im Kasten hängen haben, als wäre er gerade erst gegangen. Seine Lieblingsbücher sind im Bücherregal genauso sichtbar, wie seine Lieblingsgegenstände. Ich denke jeder hat seinen eigenen Weg, mit den Sachen des Verstorbenen umzugehen und ich weiß auch, dass jeder die Zeit braucht, die er eben braucht, um damit umzugehen und dass es kein richtig oder falsch gibt. Ich hab mich entschlossen, diesen Sachen in meiner neuen Wohnung keinen Platz zu geben und ich weiß, wie schwer es ist, etwa den Hochzeitsanzug bzw. das Hochzeitskleid wegzugeben. Es hat mir das Herz gebrochen, solche persönlichen Sachen loszulassen und ich habe oft Wochen gebraucht, um mich davon zu erholen. Dennoch wusste ich tief in mir drinnen, dass es für mich ein wichtiger Prozess ist, mich von diesen Dingen zu verabschieden, da sie in meinen Augen den Schritt in mein eigenes neues Leben nur hinauszögern würden. Vermutlich kam mir in dem Fall der Umzug entgegen, denn ich denke, wenn ich in unserer gemeinsamen Wohnung geblieben wäre, hätte ich das nicht in der kurzen Zeit von nur einem dreiviertel Jahr geschafft.