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Kapitel 9: Der Umzug

Ich erinnere mich genau – es war November 2018 und ich wusste, ich kann mir die Wohnung nicht mehr leisten. Ich hatte 4 Monate Kündigungsfrist, also wusste ich auch, ich konnte mir keine neue Wohnung suchen, währenddessen ich noch in der alten war. Keine Unterstützung von irgendwo in Sicht, viel zu viele Gegenstände in der Wohnung, viele Räusche und viele Kater.
Dann beschloss ich, alles auf eine Karte zu setzen. Ich kündigte meine Wohnung.
Ich wusste, dass ich im schlimmsten Falle auf der Straße landen würde, aber was blieb mir übrig? Zu warten, bis ich hoch verschuldet auf der Straße lande?
Irgendwie war die Kündigung der Wohnung ein Ansporn, mich etwas mehr um den Verkauf der Gegenstände zu kümmern, da ich wusste, ich muss es einfach tun. Ich kann nicht aus.

In dieser Zeit entwickelte und perfektionierte ich die Methode „Aufgeben“. Ich hatte im Aufgeben schon einige Übung, da ich in der Zeit der Pflege einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte und am Ende meiner Kräfte war und mir somit nichts anders übrig blieb, als das Leben passieren zu lassen.

Langer Rede kurzer Sinn! Ich musste keinen einzigen Tag eine Wohnung suchen und das mitten in Wien, wo manche Leute über zwei Jahre suchen, um eine halbwegs attraktive und leistbare Wohnung zu finden! Die Wohnung kam zu mir! Endlich hatte auch ich einmal Glück – und welches Glück! Eine leistbare Wohnung, frisch renoviert, nicht weit entfernt von meiner alten Wohnung und noch dazu mit der perfekten Größe und Raumaufteilung für meine Bedürfnisse.
Nun hieß es aber, warten bis die Wohnung fertig saniert ist und bangen, ob sich das bis zum Ende der Kündigungsfrist in der alten Wohnung ausgehen würde. Zum Glück wurde die Wohnung zwei Wochen bevor ich ausziehen musste, fertig und ich konnte Stück für Stück einräumen. Da ich in der alten Wohnung nicht mehr schlafen wollte, packte ich meine Matratze und brachte sie schnurstraks in die neue Wohnung – und das, obwohl dort noch nicht einmal eine Küche vorhanden war. Egal.

Trotzdem war es nicht einfach, meine alte Wohnung und Wohngegend zu verlassen. Wien lebt ja in Grätzeln und wenn man zu all den Verlusten auch noch aus seinem Grätzel ziehen muss, und zwar nicht freiwillig, ist das einfach ein weiterer Verlust von Nachbarn, Freundschaften in der Wohngegend, die sich über Jahre gebildet haben und auch der Abschied von Vertrautem.
Und obwohl die neue Wohnung wirklich super war, konnte ich mich nicht wirklich freuen, denn mein Herz hatte genug von Abschieden.

Deshalb machte ich auch mit dem Umzug einen Cut und zwar, was die Gegenstände in meiner Wohnung betraf. Ich schaffte es tatsächlich, die Dinge, die ich von meinem Mann aufheben wollte, in eine Erinnerungskiste zu packen und im Keller zu verstauen. Nur ein paar kleine Bilder in meiner Wohnung erinnern an meine Vergangenheit. Ich hab auch beim Einrichten bei jedem Stück nachgedacht, wie ICH es haben möchte. In Beziehungen geht man ja oft – und besonders auch beim Wohnen – Kompromisse ein. Da mir das Wohnen nie so besonders wichtig war, gab es in meiner alten Wohnung, die ja ursprünglich meinem Mann gehörte, sehr viele Dinge, Möbel und Formen der Einrichtung, die seinen Wünschen entsprachen. Von hohen Räumen im Altbau bis hin zum Öko-Bett, dessen Matratze mir immer ein bisschen zu hart war.
In der neuen Wohnung beschloss ich also, alles so zu machen, wie es 100% meinen Bedürfnissen entsprach. Das Bett wurde entsorgt und es folgte eine weiche Matratze, mit der ich seither auf dem Boden schlafe. Möbel wurden verkauft und neue Möbel, die meinem Geschmack entsprachen, gekauft. Ich könnte jetzt noch unzählige Kleinigkeiten erwähnen, aber ich denke, es wird klar, worum es mir geht: Der Geist meines Mannes sollte in der neuen Wohnung keinen Platz finden.